Gottesdienst zu Silvester, 31.12.2020

Ein Gottesdienst zum Zuhause feiern für Silvester 2020
Von Pfarrer i. R. Norbert Unkrich
Dieser Gottesdienst ist für Sie und Ihre Familie gedacht.
Sie haben hier die Möglichkeit mit unserer Gottesdienstgemeinschaft verbunden zu sein.
(Gerne dürfen Sie diesen Gottesdienst auch ausdrucken und weitergeben)
Wir feiern unseren Jahresschlussgottesdienst im Namen Gottes, des
Vaters und des Sohnes und des hl. Geistes. Amen.
Der Spruch des heutigen Tages aus Psalm 103 lautet:
„Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“.
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deine Fuß nicht gleiten lassen,
Und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.
Der Herr behütet dich;
der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
Dass dich des Tages die Sonne nicht steche
Noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte dich vor allem Übel,
Er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
Von nun an bis in Ewigkeit! (Psalm 121)
Göttlicher Vater, du hast jedem von uns das Leben und seine ganz
persönliche Lebenszeit anvertraut. Aber das Leben will gelebt werden - Tag für Tag. Es hält für einen jeden nicht nur erfüllte und glückliche Augenblicke bereit, sondern auch ganz persönliche Anforderungen und Ängste. Und in diesem Jahr kamen für uns alle mit der
Corona-Pandemie Einschränkungen und Belastungen in bisher nie
gekanntem Ausmaß hinzu. Wir spüren und erkennen, wie ohnmächtig wir sind, wenn wir solchen Mächten ausgesetzt sind. Hab Dank
für deine Führung und Begleitung, für alles, was mit deiner Hilfe in
diesem Jahr gelungen ist. Steh neben jedem von uns auch im neuen
Jahr. Nimm von uns alle Ängste und lass uns durchs nichts in der
Welt von unserem Gottvertrauen abbringen. Amen.
Lied: Evang. Gesangbuch. 58, 1-3+6
1. Nun lasst uns gehn und treten mit Singen und mit Beten zum Herrn, der
unserem Leben bis hierher Kraft gegeben.
2. Wir gehen dahin und wandern von einem Jahr zum andern, wir leben
und gedeihen vom alten bis zum neuen
3. Durch so viel Angst und Plagen, durch Zittern und durch Zagen, durch
Krieg und große Schrecken, die alle Welt bedecken.
4. Ach Hüter unsres Lebens, fürwahr, es ist vergebens mit unserem Tun
und Machen, wo nicht dein Augen wachen.
Es gibt ein altes jüdisches Lied mit nur 2 Zeilen. Die erste hat eine
dunkle melancholische Melodie und lautet: „Die ganze Welt ist eine
sehr schmale Brücke“. In der 2. Zeile wechselt die Moll-Melodie
zur hellen Dur, und es heißt: „Und die Hauptsache ist, gar keine
Angst zu haben!“
Dieses alte Lied wurde immer wieder weitergegeben - von Generation zu Generation -, weil jede Generation ähnliche, ja fast gleiche Erfahrungen zu machen hat. Es ist die Erkenntnis, dass unser Lebensweg einer sehr schmalen Brücke gleicht, unter der sich oft riesige Abgründe auftun:
■ Abgründe der Lieblosigkeit und der Herzenskälte: Keine Liebe
mehr erfahren noch geben zu können.
■ Abgründe der tiefen Einsamkeit und Verlorenheit: Niemanden zu
haben, der einen wirklich kennt und versteht und bei mir ist.
■ Abgründe einer lähmenden Traurigkeit: nichts Schönes, Erfüllendes, Lebenswertes mehr zu
erleben.
■ oder ganz andere Abgründe: finanzielle Ausweglosigkeit; Schulden; Verlust der
Arbeitsstelle; Verlust einer Beziehung; Lähmung
und Ohnmacht durch die Corona-Pandemie und den vielen Fragen, wie es weitergehen soll
und was das neue Jahr noch alles für
uns bereit hält.
Und an solchen Abenden wie heute am Jahreswechsel mag sich
dieses Gefühl noch zu verstärken. Denn an Abenden und in Nächten
wie diesen werden Menschen sensibler, nachdenklicher als an anderen Tagen ihres Lebens. Wir fragen uns:
Wo komme ich her? Wo treibe ich hin?
In die Gedanken und Erinnerungen an das Jahr, das sich nun zu
Ende neigt, und in die Hoffnungen und Erwartungen, die sich an das
vor uns liegende Jahr knüpfen (eingeschlossen alle unsere Pläne
und Vorsätze) werden sich auch die Fragen mischen, was das neue
Jahr uns und mir bringen mag. Was werden wir erreichen? Wie wird
es mit uns, mit der Menschheit weitergehen? Werden wir der Corona-Pandemie Paroli bieten können? Werden wir die Erfahrung machen müssen, dass die Welt, dass unser Leben in der Tat eine sehr
schmale Brücke ist? - Wobei das Nachdenken über solche Fragen
keine vertane Zeit ist, sondern Rückbesinnung und Neuorientierung.
Darum ist es auch gut, dass es solche Tage wie heute, solche Einschnitte gibt. Und wir sollten nicht so tun, als hätten wir überhaupt
keine Angst, als kämen bedrohende Abgründe in unserem Leben
nicht vor, als könnten wir jede Herausforderung meistern. Die ganze
Welt ist und bleibt eine sehr schmale Brücke! In dieser Bedrohung
sind wir alle zusammengeschlossen: Starke und Schwache, Männer
und Frauen, Junge und Ältere, Gesunde und Kranke, Christen und
Nichtchristen. Denn wir alle sind zeitlich, sterblich, und wir werden
unsere Abhängigkeiten, unsere Grenzen immer wieder zu spüren
bekommen: sei es, was unsere Kraft, unsere Energie, unsere Gesundheit, unsere Beziehungen untereinander, sei es, was unser
Vermögen zu glauben, zu hoffen, zu lieben angeht. Ja, die Welt ist
für uns alle eine sehr schmale Brücke!
Wissen Sie noch, wie das Lied weitergeht? „Und die Hauptsache
ist, überhaupt keine Angst zu haben!“ - Die Hauptsache ist, positiv nach vorne zu denken. Die Hauptsache ist, immer wieder Hoffnung und Vertrauen auferstehen zu lassen, auch wenn es 1000
Gründe zum Fürchten gibt. Aber wie soll das gehen?
Dieses Lied ist in einem Volk entstanden, das zu allen Zeiten immer
wieder erlebt hat, wie schmal die Brücke ist, wie tief die Abgründe
sich unter ihr auftun können.
Aber zugleich gibt es eine Erfahrung, eine Art Urerfahrung, von der
die Bibel immer wieder erzählt, und die in Israel sich so tief wie ganz
tiefe Kindheitserinnerungen eingeprägt hat: Es ist die Erfahrung von
der Befreiung aus den Ängsten!
Wann immer Israel Gott lobt und preist (in Psalmen, Lieder, Gebeten), kommt dies zum Ausdruck: Gott hat uns, die einfachen Landarbeiter und Handwerker, aus der Versklavung in Ägypten befreit. Er
hat uns den Weg durch die Wüste geführt, bis wir schließlich ins versprochene, gelobte Land kamen. So hat Gott gezeigt, wie er ist!
Wie es damals zuging, Gottes Begleitung und Bewahrung, das haben die unterschiedlichsten Autoren in der Bibel festgehalten. Die
kühnste Beschreibung ist wohl auch die schönste. Sie steht in
2. Mose 13, 20-22:
„So zogen sie aus von Sukkoth und lagerten sich in Etam am Rande
der Wüste. Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer
Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern
konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch
die Feuersäule bei Nacht“.
Ich versuche, mir das vorzustellen: das mit der Wolkensäule am Tag
und der Feuersäule bei Nacht. Ich versuche, mir vorzustellen, was
die Menschen damals erlebt haben, so dass sie später formulieren
konnten: „Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tag noch
die Feuersäule bei der Nacht“.
Bei der Wolkensäule und der Feuersäule handelt es sich wohl nicht
um erklärbare Naturereignisse, auch nicht um Phänomene, die uns
plötzlich bestimmen, so wie wir oftmals bestimmten Trends hinterherrennen: z.B. was im Augenblick in und modern ist, oder der neuesten
Mode, oder dem nächsten Karrieresprung... Oder dem Betrug, man
könne sich für alles im Leben absichern... Oder der Idee von einem
Land, in dem möglichst nur Deutsche leben... Oder von der dummen
Überzeugung, es gäbe kein Corona. - Alle diese Zeichen verbindet
das eine: Sie wollen uns vormachen, man könne aus der kleinen
schmalen Brücke eine machen, die sicher und stabil ist und unter der
sich keine Abgründe mehr auftun. Denn alle diese Zeichen können
keine Unsicherheiten, keine Einschränkungen mehr aushalten.
Nein, die Wolken- und Feuersäule von damals stelle ich mir anders
vor: Nicht als Naturerscheinungen, sondern als ein sichtbarer Ausdruck der Begleitung und der Bewahrung. Als Zeichen, dass Gott zusammen mit Israel aus Ägypten ausgezogen war. Als Zeichen, dass
Gott den Weg durch die Wüste - insbesondere den Weg durch die
Glaubens- und Vertrauenswüste - teilte und ebnete, wie dieser Weg
auch im einzelnen ausgesehen haben mag. In allem, was Israel erlebte, ging Gott mit! An keiner Stelle dieser langen Wüstenwanderung brauchte Israel das Gefühl zu haben, einen Weg ohne Gott gehen zu müssen, auch wenn sie oft gegen Gott murrten und aufbegehrten. Wie gefährlich und beschwerlich dieser Weg gewesen sein
mochte, die Wolkensäule und die Feuersäule sind für Israel ein Bild
der Begleitung und der Bewahrung. Israel erlebte: Gott ist immer bei
uns: wie in der Vergangenheit, so in der Gegenwart, und deshalb
auch in der Zukunft! Unser Gott steht uns bei! Unser Gott geht überall mit hin, auch wenn er sich nicht festhalten lässt. Unser Gott ist
nahe, auch wenn er zugleich verhüllt ist. Unser Gott ist bei uns, auch
wenn wir nicht über ihn verfügen können.
Dieser Gott, zugleich der Vater Jesu Christi, begleitet auch unseren
Lebensweg auf der sehr schmalen Brücke. Wie Gott gestern bei uns
war, so auch heute und morgen! Er gibt Halt und Geborgenheit auf
unserer Wanderschaft durch das Leben; auch auf der Wanderschaft
in das neue Jahr! Weil unser Gott uns beisteht, haben wir es zum
Beispiel nicht nötig, an der Schwelle zum neuen Jahr Horoskope zu
befragen oder allen möglichen Aberglauben zu bemühen! Wir haben
es nicht nötig, falsche Sicherheiten aufzubauen, weil alles, was von
Menschen kommt, fehlerhaft sein kann! Wir brauchen auch nicht so
zu tun, als sei unsere Brücke, auf der wir gehen und stehen, immer
breit und stabil. Das Leben wird immer ein Weg auf schmaler Brücke
sein! Doch unser Gott geht mit! Darum sei getrost und unverzagt!
In unserem Text ist nicht von einzelnen Personen die Rede, sondern
immer nur von allen. Dieser Hinweis ist wichtig in einer Zeit, in der
die ganze Welt sich um mich zu drehen hat, wie viele glauben; in der
nur noch die egoistische Frage gestellt wird: ‘Was bringt mir das?
Was habe ich davon?’ Der Weg über die Brücke ist kein Weg allein,
so wie kein Mensch allein weder die Welt aus den Angeln heben
kann noch in der Lage ist, Corona weg zu befehlen, noch alle anderen Weltprobleme - und deren haben wir genug - zu lösen! Nur im
Miteinander kann uns der Weg in die Zukunft gelingen – und zwar im
Miteinander mit unserem göttlichen Vater!
So wollen Wolkensäule und Feuersäule, Zeichen der Nähe und der
Führung Gottes, uns Mut machen, den Weg über die Brücke ins
nächste Jahr fortzusetzen, jedoch mit offenen Händen: Nicht nur den
Blick offenzuhalten, sondern auch die Hände, um zuzugreifen, wenn
andere ausrutschen, aber auch, dass man mich fassen kann, wenn
ich abzugleiten drohe! Bittende, offene Hände, voll Vertrauen ausgestreckt zu Gott, dem Herrn des Lebens, dem Herrn der Zeit!
Denn: Die ganze Welt ist eine schmale Brücke, und die Hauptsache
ist, überhaupt keine Angst zu haben! Amen.
Lied: Evang. Gesangbuch. 488, 1-3
1. Bleib bei mir, Herr! Der Abend bricht herein. Es kommt die Nacht, die
Finsternis fällt ein. Wo fänd ich Trost, wärst du, mein Gott, nicht hier? Hilf
dem, der hilflos ist: Herr, bleib bei mir!
2. Wie bald verebbt der Tag, das Leben weicht, die Lust verglimmt, der Erdenruhm verbleicht;
umringt von Fall und Wandel leben wir. Unwandelbar bist du: Herr bleib bei mir!
3. Ich brauch zu jeder Stund dein Nahesein, denn des Versuchers Macht
brichst du allein. Wer hilft mir sonst, wenn ich den Halt verlier? In Licht
und Dunkelheit, Herr, bleib bei mir!
Lasset uns beten:
Du, unser Gott, wir blicken zurück auf das vergangene Jahr; auf die
Wege, die wir gegangen sind und zurückgelegt haben. Wir danken
dir für alles Schöne und Erfüllende, was wir erlebt haben und was
uns gelungen ist; für das Lachen und die Fröhlichkeit, für die kleinen
und großen Momente des Glücks, für deine Bewahrung bei Tag und
bei Nacht. Lass uns erkennen, dass dies alles von dir kommt. Hilf
uns, dies im Herzen zu bewahren und dankbar dafür zu sein!
Du, unser Gott, wir blicken noch einmal anders zurück auf das vergangene Jahr: Es war durch die ausgebrochene Corona-Pandemie
ein schwieriges Jahr; ein Jahr, das viele Einschränkungen und Ängste, Fragen und für viele Menschen finanzielle Engpässe mit sich gebracht hat. Wir sehen auch auf Trauriges und Unvollkommenes im
ablaufenden Jahr: Auf gemeinsam begonnene Wege, die irgendwann unvollendet abgebrochen sind durch Unverständnis und
Schuld, durch Untreue und Sturheit, durch Krankheit und Tod.
Du, unser Gott, niemals gehen wir unseren Weg allein. Wir bitten
dich für alle, mit denen wir gemeinsam unterwegs sind - die Nahen
und die Fernen. Wir bitten für das Miteinander in unseren Familien
und derer, die sich lieben; für das Miteinander der Generationen und
der Vereine, der politischen Gemeinden wie auch der Kirchengemeinden. Wir bitten besonders für das Miteinander derer, die sich
fremd und feindlich gegenüberstehen. Wir bitten für die Kranken und
Verbitterten, für alle Einsamen und Verzweifelten, für alle Suchenden
und Zweifelnden. Wir bitten dich um Frieden in dieser Welt, um eine
menschenwürdige Lösung der anstehenden Probleme, um Bewahrung und Korrektur bei falschen Entscheidungen, um deine Führung
und um deine spürbare Begleitung. Erhöre uns, du Gott der Geschichte und der Zeit, der Völker und jedes einzelnen Menschen, um
Jesu Christi willen.
Alles, was uns ansonsten bewegt, das schließen wir nun mit ein in
das Gebet, das Jesus Christus uns zu beten gelehrt hat:
Vater unser im Himmel...
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle menschliche Vernunft, begleite Euch: Er erfülle Eure Herzen; er regiere Eure Gedanken; er bestimme Euer Tun. Amen.
Lied: Evang. Gesangbuch. 65, 1+2+5+7
1. Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich
diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein
neues Jahr.
2. Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage
schwere Last. Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für
das du uns geschaffen hast.
3. Lass warm und hell die Kerzen heute flammen, die du in unsre Dunkelheit gebracht, führ,
wenn es sein kann, wieder uns zusammen. Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
4. Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was
kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen
Tag.
Jahreslosung 2021 aus Lukas 6, 36: „Jesus Christus spricht: Seid
barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“
Der Herr segne Euch und behüte Euch,
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Euch und sei Euch gnädig.
Der Herr hebe sein Angesicht auf Euch und gebe Euch seinen Frieden.
Amen.
All unsere Gottesdienste – teilweise auch zum Anhören - und weitere Impulse finden Sie auch auf unserer Homepage: https://www.ev-kirchengemeinde-lichtenau-baden.com/unsere-gottesdienste
